Bohnenspiele (Mancala – die Mondzählleisten)

Die Zeit zwischen den Sonnenwenden wurde oftmals mit Hilfe der Vollmonde ausgezählt. Im einfachsten Falle wirft man dazu nacheinander sechs Steinchen in ein Töpfchen. In China werden sechs kleine Stäbchen verwendet, man hat sie scheinbar der Reihe nach umgedreht. Sobald sechs Monde abgezählt sind, setzt man sich in die Peilanlagen, um die Sonnenwende zu beobachten. Spielt das Wetter mit, kann diese grobe, aber durchaus anwendbare Kalenderformel an die tatsächlichen Gegebenheiten angepasst und die Mondzählung wieder von neuem gestartet werden.
Die Sonne fliegt im Sommer höhere Bögen durch den Himmel als im Winter. Daher benötigen diese Mondzählformeln Richtungsangaben. Die Zählformel muß darstellen, ob sich der Sonnenbogen mit den nächsten Monden vergrößert oder verflacht, ob die Sonne steigt oder sinkt. Solche Richtungsangaben sind zunehmend in den sogenannten „Mancala-Spielen“ bzw. „Bohnenspielen“ zu finden. Und damit sind wir beim Thema angekommen: Die „Mancala“-Zählbretter, die als Spielzeuge klassifiziert werden, waren Kalenderutensilien.
Der aufrechtstehende Mensch wird das neue Kerbholz der Zeit. Kopf und Fuß stehen vergleichend für die hohe und tiefe Sonne. Die Sonne steht zunächst einfach nur tief oder hoch im Himmel und das bildet die Herme ab. Der Unterleib steht für den Bereich der tiefstehenden Sonne, der Oberleib für den Bereich der hochstehenden Sonne. Der Phallus (Bal-Los) ist der Kippschalter und Wetteranzeiger, er zeigt nach oben oder unten. –

Herme: zweigeteilte Sonnenachse.

Viele „Dan-Figuren“ zeigen darüberhinaus noch eine mittelhohe Sonne an. Diese Wettergottheiten werden sitzend dargestellt und der waagerechte, mittlere Körperabschnitt gilt der mittelhohen Sonne. –
Die Ur-Mütter, der Zeus und der Osiris führen oft vier Sonnenstufen vor. Ausgehend von der Herme wurde der „Unterleibsbereich“ erneut halbiert, in einen Abschnitt „Unterbein“ und „Oberschenkel“. Entsprechend wurde der „Oberkörperbereich“ in einen Abschnitt „Unterarm“ und „Oberarm“ aufgeteilt. Das Halbjahr hat jetzt vier Sonnenstufen. (Und in Ägypten finden wir die Hieroglyphe des Knickarms und des Knickbeins.) –

Urmutter Da oder Ka: viergeteilte Sonnenachse

Göttinnen, wie die Nemesis oder Artemis orientierten sich bereits an den sechs Vollmonden und setzen die Sonne nach jedem Mond auf eine andere Stufe. Der Rock der Artemis hat oft sechs „Zeilen“, (s. Abb. unten). Und ebenso sind auch viele Mancala-Zählleisten aufgebaut:

Mancala: sechsgeteilte Sonnenachse

Die Sonne steigt der Kalenderfigur sechs Monde zu Kopfe und sie wirft sich ihr anschließend sechs Monde zu Füßen. Das ist die bahnbrechende Innovation dieser anthropomorphen Artefakte: Fußpunkt und Kopfpunkt stehen vergleichend für die tiefe und hohe Sonne. Landläufig wird behauptet, diese Püppchen seien Fruchtbarkeitssymbole und Spielzeuge. Solche Charakterisierungen sind schlecht abweisbar, sie lassen aber die eigentliche Bedeutung im Dunklen. Kreationisten werden sie bevorzugen.

Vinča Kultur, 5500 – 4500 v. C.
Foto: cb-gallery.com

Statt Mulden trägt diese Mondgöttin 2 x 3 Kerben auf jedem Arm. Der Ellenbogenknick markiert eine mittelhohe Sonne. Dieser „V“-Winkel ist ein „mathematisches Kürzel“. Auf dem Arm ist der Knick eine Halbierungsidee. Die Puppe trägt den Ellenbogenknick in Form des „V“ auch im Gesicht. Dort könnte das “V“ hingegen für zwei Halbjahre stehen, die man zum Jahr addieren mußte. (Der Winkel wird zu einer Mengeneinheit, er wird „Zelt“, „Dach“ und „Baldarin“ genannt und eben auch „Angel“… Da man mit ganz unterschiedlichen Zeiteinheiten operierte, mußte man diese Winkel /Angels durch Attribute spezifizieren.)
Auf dem Rock dieser Puppe wird das Zeitintervall bezeichnet, das in Rede steht, die Spirale. Die Spirale skizziert die Wege der Sonne um die Erde. Damit ist die Figur als Zeitsymbol kenntlich.
Die 12 Monde des Jahres hat man oft in vier Gruppen zu je 3 Monden durchgezählt. Man hat die Zeit „gegliedert“ und wer auf Körperteile zeigte, wollte damals den aktuellen Mond angeben bzw. die Höhe der Sonne anzeigen. Die Einteilung zu 4 x 3 Monden finden wir in einigen Mancala-Zählleisten deutlich aufbewahrt:

Dorotheum Wien, Auktionskatalog 20.2.2017

Jede Körperseite besteht aus drei „tiefen“ und drei „hohen“ Monden. –
Der Halsschmuck dieser hölzernen Dan-Figur kommt uns plötzlich ganz sinnig vor. Diese berühmten Halsspiralen zeigen, wie sich die Sonne durch den Himmel schraubt und wie sie mit jeder Windung ihre Höhe ändert.

Foto: Sabine Kieninger & Uli Keller

Niemand hätte die Zeitenwenden besser vortanzen und unterrichten können, als die zu den Zeitenwenden geborenen Frauen. In manchen Gegenden wurden ihnen die berühmten goldenen Metallspiralen um den Hals gebogen. An den Festtagen anläßlich der Zeitenwenden vermittelten sie das Wissen von der Zeit. In ihrem Putz spiegelte sich die Charakteristik der Jahreszeit. Ihr Reigentanz folgte einer strengen Choreographie. Die Reihenfolge ihres Auftretens bestimmte und bestimmt der Himmel. – In anderen Gegenden werden Spiralminarette gebaut. Dargestellt werden stets die Bewegungsprofile von Sonne und Mond, in ihrer eigentümlichen Verbundenheit: mit jedem Mond schraubt sich die Sonne höher oder tiefer durch den Himmelsraum.

Dorotheum Wien, Auktionskatalog 20.2.2017

Die Haartracht dieser hölzernen „Dan-Figur“ ist ebenfalls bemerkenswert. Sie stellt das Auf und Ab der (Mittags-)Sonne in Form der alten Winkelkette dar, die Sonne pendelt zwischen den Sonnenwendepunkten, (s. dazu Winkelkette). Wir finden in dieser Holzplastik sowohl den „V-Winkel“ als auch die Spirale, ganz, wie in der blauen Tonpuppe aus der Vinča-Kultur, (s. oben).

Einige dieser Figuren werden zu ultimativen Zeit- und Himmelsformeln hochentwickelt. Sie heißen dann beispielsweise Nut oder Artemis… Die „Sonnenleitern“ haben später nicht mehr nur drei Stufen, sondern vier, fünf, sechs und mehr. Dementsprechend besteht die Kalenderformel nicht mehr nur aus drei Informationen (wie: Dan), sondern ihr Name besteht aus vier, fünf, sechs oder mehr Zeichen. Eigentümlicherweise sind viele dieser Bezeichnungen Palindrome, sie lassen sich vorwärts und rückwärts lesen. Wenn solche Bezeichnungen einmal für die Sprossen der Sonnenleitern gestanden hätten, hätten Palindrome fast zwangsläufig entstehen müssen, da man die Stufen ständig hoch und runter zu zählen hatte. Das Wort SUMATRA (sumat = addieren, ra = Sonne…) ergibt als Palindrom Artamus. Artemis wird als „Herrin der Tiere“ bezeichnet. Tiere bezeichneten aber Zeitabschnitte, Jahresteile. (Wir reden vom „Tierkreis“ und gemeint ist aber ein Zeitkreis.) So zeigt die Artemis meistens zwei Halbjahre in Form von zwei Tieren vor.

Artemis, 700 v. C., griechisch, Metropolitan Museum of Art, (1999.221).

Ihr Rock zeigt sechs „Zeilen“/Stufen für die sechs Monde. Die beiden Halbjahre (Tiere) weisen nun aber eine deutliche Dreifaltung auf. (Diese „heilige Dreifaltigkeit“ meint vielleicht das Kalenderkonstrukt des Doppelmonds, jedes Halbjahr besteht aus drei Doppelmonden. Der Doppelmond wurde einst von 60 auf 59 Tage optimiert und dann würde diese Zeitengöttin das Mondjahr zu 354 Tagen bewerben. Andererseits wurde die Große Mondwende von 2 x 9 Jahren weiter unterteilt, jedes Mondpendel sollte aus 3 x 3 Jahren bestehen. Da der Löwe an den Hinterläufen nur vier Zehen hat, weist er eben 2 x 9 Zehen vor – wie übrigens auch das Krokodil – und dann würde diese Dreiteilung der Großen Mondwende gelten. – Möglicherweise sind irgendwann beide Lesarten einbegriffen.)

Der sperrige Mond
Die Zählmuster werden vielfach abgewandelt, unterschiedlichste Sachverhalte müssen ausgezählt werden. Die Mengenlehre entsteht. Bei der Mondzählerei taucht zunächst immer mal ein siebenter Mond auf, folgerichtig halten manche Zählleisten bald ein Extrafeld für den Fall der Fälle bereit.

Mancala

Eine solche Zählleiste hätte den siebten Mond (der tritt aller fünf Halbjahre auf) dem sinkenden oder steigenden Halbjahr zuordnen können. – Um diesem geheimnisvollen siebenten Mond auf die Schliche zu kommen, versucht man die Tage des Mondumlaufes genauer zu bestimmen. Das stellt sich als höchst vertrackt heraus. Der Mond ist mit 29 Tagen zu kurz bemessen und 30 Tage sind zu lang für ihn. Endlose Zählungen sind die Folge. Die Zerwürfnisse betreffs des 13. Mondes waren so groß, daß einige Gelehrte dringend davon abrieten, überhaupt über die Zahl 12 hinauszuzählen.

Nomen est omen
Oware, so heißt das Macalaspiel in Ghana. Owa (Eva) heißt auf polnisch: „die Hälfte von…“. Re ist die Sonne. Owa-Re kann man als „die Hälfte vom Sonnenjahr“ ansehen. Das Jahr wird eben aus zwei Halbjahren zusammengesetzt. Während die tägliche Flugbahn der Sonne einleuchtet, ist die Winter-Sommer-Achse der Mittagssonne äußerst unanschaulich. Aber die war gemeint. Am heiligen Eichbaum wurde sie ablesbar: die Mittagssonne klettert im Laufe der Monate vom Stamm in die Krone des Baumes hinauf und rutscht von der Krone wieder hinab zum Stamm. Diese „Zeitstrecke“ mußte unterrichtet, spezifiziert und ausgezählt werden. Der „Zählknochen“ steht für diese Linie. Auch der senkrechte Balken im Kreuz-Symbol gilt dieser Sonnen-Achse. Das Mancala-Brett ist ein besserer Zählknochen und gemeint ist das Halbjahr, welches von Sonnenwende zu Sonnenwende gegliedert wurde.

Das Spiel trägt tausend Namen, es wird auch Wari genannt. Wa heißt dann auch Summe. Va heißt werden. Ri ist der Tag. Gezählt wurde die Zeit.
Die Muldenspiele heißen Mancala, Mangala, Mangola. All diese Begriffe lassen nicht den geringsten Zweifel daran, daß diese „Spiele“ Mondzählleisten waren. Ma heißen die Zählsteine, (chinesisch). Ma steht allgemein für die Sonnenkraft, oft für das Auf und Ab der Sonne. Cal heißt Kalk, also Stein. Die Mulden wurden oft in den Kalkstein hineingekratzt. Kalksteinchen wurden als Zählsteinchen verwendet. Gola ist die Kugel. (Die chinesischen Zählbretter heißen Go.) Angesammelt in den Mulden dieser Bretter werden die Mond-Kugeln, denn mit den Monden zählt man die Sonnenzyklik aus. Von (M-)Angola bis in die Mon-gola-i verläuft die Spur, die das ewigliche Durchzählen der Monde hinterlassen hat. Und solche Ableitungen ließen sich in langer Reihe fortführen.

Der Mond heißt Ku-U (estnisch) und Moh (tadschikisch) und auch in Japan klingt es so, als wären die Laute der Rinder zum Namensgeber des Mondes geworden. Das geschieht, weil man in den Hörnern der Rinder die beiden unterschiedlich gebogenen Mondsicheln wiedererkennt. Die frühen Naturbeobachter zeigen abwechselnd auf die Mondsichel und auf das Horn des Stieres und rufen dazu „Moooh“, so hat der Mond seinen Namen weg.

Тогузкоргоол – Togus Korgool

Ein kirgisischer Ableger des Mondzählbretts heißt Togus Korgool: „Die Himmelslehre der Neun“. – Mit Yin und Yang waren zunächst vielleicht nur die Sonnenwenden oder Halbjahre gemeint: zwei Gegensätze, die zusammen eine Einheit (ein Jahr) bilden. Die zwei Pendelschwünge der Sonne verschmelzen im Yin-und-Yang-Signet zu einer Art Kreislauf, es vereint das Zeitenpendel mit dem Zeitenkreis. –

Irgendwann wurden nun aber die Aufgangspunkte des Mondes in den Steinkreisen beobachtet, analog denen der Sonne. Auf diese Weise wird recht bald auch die Große Mondwende entdeckt. Rund neun Jahre bewegt sich dieses Mondpendel in die eine Richtung, erst dann vollführt es seine Kehre und wandert neun Jahre zurück. Die Entdeckung dieses Intervalls aus 2 x 9 Jahren gleicht einer Revolution. Die Mondkundler gewinnen an Einfluß, die Sonnenkundler, die zwei Halbjahre zum Gesamtjahr hochentwickelten, geraten ins Hintertreffen. Das Sonnenjahr wird in 9 oder in 2 x 9 Teile geteilt, man zählt „Monate“ zu 40 oder 20 Tagen ab. Die 20-Felder-“Spiele“ sind jetzt unentbehrlich. Aber das Torgus-Korgool-Brett ist ein 20-Felder-Brett und man kann 18 x 20 Tage darauf abzählen, wenn man unterschiedliche Arten von Steinchen einsetzt. 2 x 9 Halbjahre würden sich ebenfalls auf ihm darstellen lassen. Die Zähl- und Rechenbretter wachsen mit ihren Aufgaben.

Der Kalender wird zur festen Burg
Natürlich sind solche Kalender nur dann anwendbar, wenn das Zähl-Brett geschützt bleibt gegen Wind und Wetter und nicht gewaltsam umgestoßen wird. Die Mikadostäbchen dürfen nicht wackeln, dann ist alles verloren, das wissen wir heute noch. Auch mit den sechs „Mikadostäbchen“ zählte man die Monde, (s. Liubo).

Chinesische Darstellung des „Liubo-Spiels“. Liu Bo heißt: die große Sechs.

Für die Zählutensilien werden in abgeschiedenen Gegenden Klöster eingerichtet und die Kalenderbretter werden im Innern des heiligen Tempels untergebracht, einem sicheren Ort, den kein Unbefugter betreten darf. Selbst bei den Kriegern und Eroberern setzt sich die Erkenntnis durch, daß die Kalenderformel besser nicht vom Tisch gefegt wird. Über solche abgeschiedenen Räumlichkeiten, die nur von wenigen Befugten betreten werden dürfen, verbreiten sich mythische Erzählungen. Man hört von der Bundeslade und dem heiligen Gral. Auf den Marktplätzen wird vom Ali Baba erzählt. Die 40 Räuber sind eine Reminiszenz an den neungeteilten Jahreskreis, er hatte Monate zu 40 Tagen. Die sagenhaften Schätze, die in den Höhlen angehäuft wurden, waren zunächst einmal die Kalenderformeln, die man in solche Felswände gepickelt hatte. Wo immer die irdische Gier diese sagenumwobenen Räume betritt, sind sie leer und schmucklos. Und doch waren die Zeitformeln ein unermeßlicher Schatz, die überschwenglichen Berichte über sie hatten durchaus ihre Richtigkeit.
(C) 2021

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