Liubo und Go

Dieser Aufsatz befaßt sich mit dem chinesischen Liubo-Muster. Auch vom Liubo wird behauptet, es sei ein Spiel gewesen. Doch alle Spielanwendungen, die man uns präsentierte, würden sich auf einem simpler gestalteten Spielplan übersichtlicher durchführen lassen. Und auch „d a s eine Liubo“ gibt es nicht, wir haben es auch diesmal mit einer Reihe sich entwickelnder Brettmuster zu tun. Die Bandbreite der Brettmuster spiegelt die Entwicklungsgeschichte noch am ehesten. In welcher Epoche wurden welche Denkleistungen mit diesen Hilfsmitteln bewerkstelligt, diese Frage beschäftigt uns hier.

Was kann der Mensch schon gezählt haben, wenn nicht die Zeit. Über enorm lange Zeiträume wurden einfach die Vollmonde gezählt. Da sich das Liubo auch mit der ‚Mondzählerei‘ befaßt, ist es sinnvoll, einige Anmerkungen über diese Art der Zeitzählung voranzustellen. (Denn im Rückblick sehen wir die hochentwickelten Unterrichtsformeln ja zuerst.) Wer Vollmonde zählt, braucht nicht jeden Tag einzeln zu dokumentieren, man kann die Zählreihe selbst dann wieder auf Vordermann bringen, wenn man die Zeitzählerei mehrere Tage lang aus den Augen verloren haben sollte. Das war höchst anwendbar. Wir haben viele schriftlichen Belege dafür, daß unsere Ahnen aus endlosen Mondzählreihen eine Vielzahl sehr feiner Zeitzählformeln ableiteten. Einige Mondzählformeln haben wir schon besprochen, da wurden beispielsweise 25 Monde für ein Doppeljahr gesetzt, (für ein kurzes und ein langes Mondjahr). Und 5 Halbjahre sind ziemlich genau 31 Monde lang, (s. Yut). Zudem war da auch eine alte Dreijahresformel, die wurde manchmal auf 37 Monde taxiert, (also 3 x 12 + 1). Und vier Doppeljahre zu 25 Monden wurden von theoretisch 100 auf praktisch eher 99 Monde verbessert, (der ‚Rosenkranz‘ zählt „hundert minus eine Perle“ ab, er galt einem archaischen Achtjahrkreis).

Das alles war aber erst der Anfang. Solchen Endlos-Mondzählreihen konnte man wertvolle Jahresformeln entreißen: Wer nämlich 31 Monde für fünf Halbjahre setzte, und also fortschrieb, der erkannte, daß 10 x 5 Halbjahre nicht 10 x 31 = 310 Monde sondern eher nur 309 Monde ausmachten. Das wurde so auch gehandhabt und optimiert! Man suchte nach einer Anzahl an Monden, die mit den Sonnenwenden ein anwendbares, gemeinsames Vielfache haben. Diese Rechnung nach 309 Monden für 25 Jahre wurde wiederum verbessert! Nach 600 Jahren (also nach 24 x 25 Jahren) würden 24 x 309 Monde gleich 7416 Monde ergeben. Waren einst die 31 Monde für 5 Halbjahre eine Winzigkeit zu reichlich bemessen, so blieben nun die 309 Monde für 25 Jahre eine Kleinigkeit hinter den Vorgaben des Universums zurück. Und tatsächlich wußte man, daß 600 Jahre eben 7421 Monde lang sind, (Ideler, „Historische Untersuchungen über die astronomischen Beobachtungen der Alten“, 1806). – Die mythische Phönix-Periode, das sei eine Zeitspanne von 6000 Monden (= 500 Mondjahre) gewesen.

Syncellus und Plinus reden dann von der ‚480– und 490-tausendjährigen Zeit der Chaldäer‘. Gemeint waren wohl zwei verschiedene Großjahresrechnungen, die jeweils tausende Monde lang waren. Mit 480 Jahren schlug ein vierfacher 120-Jahrkreis zu Buche. Und andererseits wurden 600 Monde zunächst auf ca. 48,5 Jahre taxiert. Man erkundete daraufhin, daß 50,5 Mondjahre in etwa 49 Jahre geben. Derart kam nun eine berühmte Spanne von 490 Jahren zustande. Diese ‚sehr großen Großjahre‘ befaßten sich nicht zuletzt mit dem Auseinanderdriften von zwei Ereignissen. Einst fiel die Sommersonnenwende mit dem heliakischen Aufgang eines Referenzsternes, Sirius, zusammen. Die Sonnenbeobachter und die Sternkundler beschlossen daher, daß das der Beginn des Jahres sein sollte. Ganz langsam drifteten diese Ereignisse aber immer weiter auseinander. Das stiftete viel Unruhe. Man versuchte später, die Geschwindigkeit zu berechnen, mit der sich diese beiden Erscheinungen auseinanderbewegten. Am Ende führten diese Berechnungen zur sog. Sothisperiode, einem Zeitkreis von ca. 1424 Jahren. Nach einer solchen Zeitspanne fällt die Sommersonnenwende ja wieder mit dem Aufgang von Sirius/Sothis zusammen. Die Himmelskundler hatten beträchtliches Wissen aufgebaut. Aber das war ein weiter Weg. Wir arbeiten uns hin zu diesen Anfängen.

8,5 = 8,25
Über Jahrtausende hat der Mensch also die Gewohnheit beibehalten, einfach die Vollmonde mit den Sonnenwenden in ein Verhältnis zu setzen. Die Vollmondzählerei war eine sehr archaische Art der Zeitzählung. Wir entdecken auf den Liubo-Artefakten Mondzählreihen, von denen uns die Astronomen sagen, daß es sie gab:


Abb. 1 – Han Dynastie, 1. Jh v. C., British Museum.
Foto: Andrew West.

Dieser Teller zeigt innen das Liubo-Muster, darauf kommen wir zurück. Außen sind konzentrische Kreissegmente zu sehen. Ein Kreis führt eine Girlande aus kleinen, spitzen Dreiecken vor. Solche Dreiecke kennen wir vom Backgammon-Brett. Auf dem Backgammon-Brett wurden mit diesen Dreiecken Monde gezählt. Hier bildet der Teller einen Kreis aus 102 Dreiecken. Setzen wir 102 Vollmonde, dann ist dieser Zeitkreis 8,5 Mondjahre lang. –
Aber 102 Monde (= 3012,06 Tage) ergeben eine Zeitstrecke von 8,2465 Jahren. Hätten diese Gelehrten die Länge des Jahres damals mit („nur“) 365 Tagen verrechnet, dann würde dieser Formel recht genau 8,25 Jahre ergeben.
Es sollten 8,5 Mondjahre eben 8,25 Jahre sein.

Eine solche Denkschule wird all diese Zeiteinheiten in Viertel umrechnen wollen. Man hätte diese 8,25 Jahre aber auch vervierfachen wollen, um auf eine volle Jahreszahl zu gelangen, auf 4 x 8,25 = 33 Jahre. Mit den vier Quadratseiten im Zentrum des Tellers wurden Vierteilungen und Vervierfachungen angezeigt. Es ergeben nun aber die 8,5 Mondjahre vervierfacht 34 Mondjahre. Und tatsächlich wissen wir, daß man 34 Mondjahre in 33 Jahre umrechnete! Dieser Teller stellt diese Zählformel aus. Solche „Spiegel“ spiegeln das Wissen einer Epoche, es sind Abzeichen bestimmter Denkschulen. Wir haben es mit vorwissenschaftlichen Sammelformeln des Wissens zu tun.


Abb. 2 – Han Dynastie, 25-220. Los Angeles County Museum of Art.

Dieser Spiegel präsentiert uns eine andere Mondrechnung. Außen zeigt der Teller 69 Dreiecke/Monde, das sind 5,75 Mondjahre. Innen sind 90 Mondwinkel zu sehen = 7,5 Mondjahre. In welches Denkumfeld diese Formel gehört, ist mir nicht aufgegangen. Das unsere Winkelchen aber Monde sein sollen, das beweisen diese Formeln eindrucksvoll.


Abb. 3 – Tang Dynasty, Great Wall Museum, China. Foto: Andrew West.

2 x 10 = 20
Diesmal ist auf dem Spiegel kein Liubo-Muster zu finden. Aber unsere Mondwinkel sind auch hier zu sehen. Beide äußeren Kreise zeigen exakt 124 Winkel. Das Jahr ist 12,4 Monde lang und 124 Monde, das ist die Dekade! Dieses Artefakt bewirbt den Zwanzigjahrkreis. (Unsere Winkelchen bedeuten in diesem Kontext zweifelsfrei Vollmonde.)
Innen zeigt der Teller fünf Vierbeiner, die im Kreise umherjagen. Fünf Vierbeiner = 5 x 4 = 20 Jahre? Durch 5 teilbar sind weder 124 Monde noch 248 Monde, jedoch die Sonnenwenden, die Halbjahre. Vier Halbjahre machen 2 Jahre und 5 Vierbeiner a 4 Halbjahre, das hätte auch die Dekade sein können? Aber zwischen den Vierbeinern sind 8 Weintrauben dargestellt. Nur die 248 Monde lassen sich durch 8 teilen, jede Weintraube würde dann für eine Menge von 31 Beeren/Monden bildgebend sein. 31 Monde, das war eine frühe Mondformel für fünf Halbjahre, (s. Yut). – Diese Weintraube ist ein vergleichendes Bild für solch eine Menge von 31 Monden. –
5 Halbjahre mal 8 Weintrauben = 40 Halbjahre = 20 Jahre. Demnach stehen die Vierbeiner für je 4 Jahre, jedes Bein zählt ein Jahr. Wir haben (wieder einmal) ein Abzeichen für einen Zwanzigjahrkreis aufgefunden!

Nun enthält der Spiegel aber weitere Bestandteile, die zu weiteren Lektionen gehören sollten: Umlaufend sind noch 24 chinesische Schriftzeichen eingetragen. Wir wissen, daß man 480-Jahrkreise verfolgte. Bezeichnen die 24 Schriftzeichen je einen Zwanzigjahrkreis, die zusammengenommen (24 x 20) nun dem 480-Jahrkreis galten? Die „Punkte-5“ (im Bild oben rechts) ist ein fünfundzwanzigstes Zeichen und ein neuer Überbegriff, eine Art Überschrift?
Alle Zeichenreihen und Alphabete entwickelten sich aus ‚Aufzählreihen des frühesten Wissens‘… Die Sprachkundigen müssen uns sagen, ob sich für unsere Deutungen unterstützende Indizien in den Schriften finden lassen.
Der 480-Jahrkreis entstand m. E. aus dem 120-Jahrkreis, (den uns Al Biruni beschrieb). Der 120-Jahrkreis führte zu sehr guten 12-Jahrkreisen und letztlich zu einem 4-Jahrkreis, (den wir heute noch verwenden, mit einem Schalttag nach vier Jahren). Ich gehe davon aus, daß der vorstehende phänomenale Teller den 480-Jahrkreis unterrichtete! Dekliniert wurden 24 x 20 Jahre und die 20-Jahrkreise konnten aus fünf 4-Jahrkreisen oder aus 8 x 5 Halbjahren zusammengesetzt werden. Verschiedene frühe Denkschulen wurden derart mit ihren traditionellen Zählweisen eingebunden.
Hermann-Josef Röllicke (1999) erklärte, das Liubo sei zur Darstellung vieler himmelskundlichen Belange verwendet worden, einschließlich eines 12-Jahrkreises und eines 60-Jahrkreises. Das gehe „aus den in Mawangdui und Yinwan gefundenen früh- und spät-West-Han-zeitlichen Manuskripten“ hervor. (Die Schriftgelehrten hätten die Gelegenheit, uns klug zu machen.) Nicht sehr überraschend: 24 umlaufende Zeichen auf unserem Teller mal 5 Halbjahre/Weintrauben (zu 31 Monden) machen 60 Jahre. (Diese Denker erzeugen „magische Quadrate des Wissens“. Herauszufinden, welche dieser Möglichkeiten bereits inbegriffen waren, das ist unsere Puzzelaufgabe.)

Das Liubo-Quadrat wird zum Rechteck.
Ganz allgemein wurde der Kreis von unseren Urahnen für einen Zeitkreis gesetzt, für den Tag beispielsweise oder das Jahr. Mit dem Quadrat konnte der Zeitkreis (eine ‚Zeitstrecke‘) in vier Zählabschnitte unterteilt werden. Aber einige Liubo-Bretter haben später eine rechteckige Brettform angenommen. Nicht alle Zeitkreise konnten aus gleichgroßen Zeiteinheiten zusammengesetzt werden:


Abb. 4 – Auktionsware.

Dieser ‚Spiegel‘ wurde bei einer Aktion gehandelt, er stamme aus der Tang Dynastie, war da zu lesen. Die Liubo-Tafel ist jetzt nicht mehr quadratisch, sie zählt unterschiedlich lange Zeitstrecken zusammen. Aufgereiht wurden reihum 36, 49, 36 und 49 Spitzwinkel. Zu welchen Ergebnissen kommen wir, wenn wir Monde für die Winkel setzen?
Die kurze Brettseite führt 36 Monde vor und diese 3 Mondjahre wurden manchmal mit einem Schaltmond ergänzt und damit zu einer groben 3-Jahr-Formel. 36 Monde sind 1063 Tage lang, das sind 2,91 Jahre. Dieser Rechnung fehlt ein Jahreszehntel auf 3 Jahre. Das Jahreszehntel, das waren diese berühmten 36 Tage des altägyptischen Kalenders. Es wurde der Mond einst auf 29,5 Tage gesetzt, zwei Monde sollten 59 Tage lang sein. Und hier hat es den Anschein, daß man nach 36 Monden a 29,5 Tagen noch 36 Tage zuschalten wollte… (Diese Dreijahresformel dürfte im Umfeld der Großen Mondwende erzeugt worden sein, die dauert 9,3 Jahre und an dieser Stelle wurden die Dreiteilungen zwingend. Die 9 hat man gern in 3 x 3 Jahre zerlegt. Wer auch die 0,3 Jahre dritteln will, der rechnete 3 x 3,1 Jahr zusammen und der brauchte dieses Jahreszehntel, diese 36 Tage-Einheit.) Die kurze Brettseite veranschlage ich daher auf 36 Monde + 36 Schalttage = 3 Jahre.

Die lange Brettseite: Scaliger sagt nun, 49 Monde habe man einst auf 1447 Tage bestimmen können. (Das ergibt korrekte 29,53 Tage für den Mond). Wenn wir nachrechnen, dann sind 49 Monde auch annähernd 4 Jahre. Genauer sind es 3,96167 Jahre, es fehlen 14 Tage. Diese 7 x 7 Monde ergeben dann volle 4 Jahre, wenn man sie mit 2 x 7 Schalttagen auffüllt. Unser Spiegel zählt 2 x 7 Jahre an… Von der „Siebenzahl“ ist auch in anderen Kulturen viel Aufhebens gemacht worden, ohne daß wir bisher genauer wüßten, welche Weisheiten diese Denkschule mit Hilfe der Zahl 7 ineinander schachtelte und unterrichtete, (s. dazu Fidchell).
Es hätten sich für diesen Zeitkreis genau 100 Schalttage ergeben können, nämlich 36 Tage (verteilt auf oder nach 3 Jahren) und 14 Tage (verteilt auf oder nach 4 Jahren). Das macht 50 Schalttage in 7 Jahren. Die lange Brettseite führt also 49 Monde vor und diese 7 x 7 Monde wurden mit 2 x 7 Schalttagen zu einer 4-Jahrformel.

Auch der dargestellte 14-Jahrkreis produziert, wenn er in Reihe gesetzt und angewendet wird, wiederum eine kleine Abweichung. Es hätte sich dann erneut eine Vervierfachung angeboten. Vervierfacht wurde unsere 14-Jahres-Einheit jedenfalls! Den Hauptgrund dafür dürfte ein älteres und gröberes Zählergebnis geliefert haben:

4 x 14 = 56
Die Kerbhölzer galten zunächst dem ‚Zeitraum zwischen den Sonnenwenden‘, die Mancala-Muldenleisten zeigen uns das. Eingekerbt wurde die Höhe der Mittagssonne, wenn man das so sehen will. Mit dem Dreieck und dem Viereck (und auch bereits mit dem „Knickholz“) wurden Zeitstrecken zusammengesetzt. Die viereckigen Zählbretter dürfen wir daher auf Vierteilungen und Vervierfachungen absuchen. (Die damaligen Gelehrten, die vor diesen Brettern saßen, redeten diesbezüglich von einer ‚Mikrowelt‘ und einer ‚Makrowelt‘, wir sagen Division und Multiplikation.)
Über diese 56 Jahre wurde die Große Mondwende mit dem Sonnenjahr verbunden. Die Große Mondwende dauert 2 x 9,3 Jahre. Drei Pendel a 9,3 Jahre ergeben 27,9 Jahre und die können – mit 36 Tagen- auf 28 Jahre ergänzt werden. Da drei Pendel des Mondes unhandlich sind, wurden die 28 Jahre auf 56 Jahre erweitert, das sollten dann 6 Pendel der Großen Mondwende sein. Eine solche Denkschule liegt diesem Spiegel zugrunde. –
Wenn wir den Zeitkreis rückwärts zerlegen, dann wurden 56 Jahre in vier Strecken zu je 14 Jahren zerlegt. Aber die 14 Jahre ließen sich nicht erneut vierteilen, man konnte sie nur halbieren. Notgedrungen wurde die 7 in eine kleinere und eine größere ‚Hälfte‘ zerlegt, in diese 3 und 4 Jahre. Man scheint einerseits eine alte Dreijahresformel zur Hand gehabt zu haben und andererseits führte die Verwaltung der kurzen und langen Mondjahre zunächst zu groben Achtjahrkreisen und später auch zu genauen Vierjahrkreisen.

L wie Large oder lang.
Wir machen eine Entdeckung: Mit dem Knickholz („V“) wurden, in sehr weit zurückliegenden Epochen, zwei Strecken als eine Einheit darstellen. Das Knickholz muß aber nicht genau in der Mitte abgeknickt werden. Man kann mit einem „L“-Knick eine kürzere und eine längere Zeitstrecke bildhaft zu einer Betrachtungseinheit zusammenführen. In unserem Beispiel ist das eine 3-Jahresstrecke und eine 4-Jahresstrecke.
Das Liubo-Brett habe „T“-Winkel und „L“-Winkel, wird oft gesagt. Stellen diese „L“ Winkel auf dem Liubo zusammengesetzte, verschiedengroße Mengen dar? Doch wohl.
In anderen Fällen setzte das „Bildzeichen L“ auch die 4 und die 5 zur 9 zusammen. Und noch genereller wurde der ‚Zeitraum zwischen den Sonnenwenden‘ mit dem ‚Zeitraum zwischen den Mondwenden‘ solcherart zusammengefügt, (wie noch zu sehen sein wird).
Wir folgern: Das Zeichen, welches uns heute als Buchstabe „L“ dient, war einst ein mathematisches Kürzel und bezeichnete eine zusammengesetzte Menge, die aus unterschiedlich großen Teilen bestand.

***

Ausgerüstet mit diesen Betrachtungen, versuchen wir uns nun an den vorgelagerten, roheren Liubo-Mustern. Wenn man etwas von der hochentwickelten Formel versteht, kann man sich, über diese Zwischenstufe, den vorgelagerten Ur-Formeln anders nähern. Führt das zu Einsichten, bestätigen sich die Interpretationen wechselseitig.
Höchstwahrscheinlich war der Ausgangspunkt des Liubo ein einfaches 2 x 2-Felder-Brett:


Abb. 5 – Sichuan Handai Huaxiang Xuanji 四川漢代畫象選集 (Shanghai, 1955), Fig.35

Wie so oft sitzen auch hier zwei Gelehrte vor einer Matte oder einem Brett. Darauf sind sechs Liubo-Stäbe auszumachen. Das „eigentliche Liubo-Brett“ ist hier im Bildvordergrund zu sehen. Zu erkennen ist jedenfalls ein 2 x 2-Felder-Muster. Auch das nächste Beispiel zeigt ein 2 x 2-Felder-Brett vor, es findet sich links oben auf der Abbildung:


Abb. 6 – Sichuan Handai Huaxiang Xuanji, (Shanghai, 1955), Fig.26.

Haben wir es mit einem 2 x 2-Felder-Brett zu tun? Immerhin berichtet Alfonso X. von Kastillien, die Bretter wären der Reihe nach entstanden, immer größer geworden und sie seien aus einem einzigen Quadrat, (welches man in acht Teile teilte), hervorgegangen. Hier eine weitere Abbildung eines Liubo-‘Spiels’:

Aus dem Brett ist ein kleiner Rechenturm geworden, es gibt 3 Stockwerke. Unten deuten die Aussparungen ein 2 x 2-Felder-Muster an.
Darüber kann man in der Schubkasten-Ebene aber eine Art 4 x 4-Felder-Muster ausmachen. Und obenauf haben wir es dann mit dem Muster zu tun, welches für gewöhnlich das Liubo-Spiel genannt wird.
Damit aber nicht genug. Wenn wir uns die untere 2 x 2-Felder-Ebene genauer ansehen, dann setzen die ausgesägten Bereiche oben neun Bögen zu einer Einheit zusammen:

Jedes Feld wird inzwischen als ein 9 x 9-Felder-Brett vorgezeigt!
In Japan wird das Liubo ‚Rikuhaku‘ (リクハク) genannt. Übersetzt werden mir diese Silben mit Li, Neun, Ha, Neun. Da wurden zwei Pendel der Großen Mondwende verhandelt/ bezeichnet, so scheint es. Solche Ur-Formeln stehen den Denkern Jahrtausende vor Augen, sie arbeiten neue Erkenntnisse in die Basisformeln ein, solange das zu machen geht. Obsolet wurden diese vorwissenschaftlichen Ur-Formeln erst, als das inbegriffene Wissen sich derart nicht mehr zusammenschachteln ließ. Das Ur-Wissen ging auch nicht verloren, wie manche glauben, es wurde neu geordnet und auf geeignetere Weise tradiert.

Diesmal bekommen wir ein Go-Brett zu sehen, aber der Sockel des Brettes zeigt wiederum die 2 x 2-Felder-Teilung an. Das Go hat 19 x 19 Linien und es zählte sicherlich einmal das Jahr zusammen, es hat 361 Stellplätze, (s. Schach). Die zugrundeliegende Teilung nach 2 x 2 Feldern wäre in diesem Kontext eine Quartalsgliederung zu je 90 Tagen. (Schachbretter mit 90 Feldern hat es gegeben. Die 90 Tage/Felder wurden darauf wiederum in 2 x 45 Tage auseinandergerückt, es entstanden ‚Jahresachtel‘, s. Schach. Unsere Vorfahren erzeugten Denkschulen, indem eine zeitgeistlich bedeutende Zahl aufgebaut, abstrahiert und zu einem Aushängeschild bzw. „Fachbegriff“, zur „Zahl allen Wissens“ hochstilisiert wurde. Man denke an die Dualitäten und die Zahl 2 und an die Trinitäten und die Zahl 3, an das „Geviert“/ “Fensterkreuz“ und die 4, etc. Das zeitgeistliche Wissen wurde gern um solche Zahlen herum organisiert. Ein allgemeines Verständnis vom Verhältnis der Zahlen zueinander kann anfangs ja gar nicht vorhanden gewesen sein. Daher waren Schnittmengen zwischen den Zahlen wie Eselsbrücken für die betreffende Lektion, wie eine Bestätigung des Himmels für die Richtigkeit der Kalkulation. Beispielsweise war diese „90“ später eine Zahl, mit der 8 kurze Mondjahre geschalten wurden. Das achte Jahr war dann rechnerisch 354 + 90 = 444 Tage lang. Die Formel setzt das Jahr auf durchschnittlich perfekte 365,25 Tage… (Macrobius berichtet, die Griechen hätten das so gehandhabt.) Das einfache 90-Felder-Brett kann in solch einem Kontext eine sehr hochstehende Sammelformel sein!)

***

Wir bleiben bei unserem Verfahren und rekonstruieren später integrierte Wissensbestandteile, um uns über diese Zwischenschritte den archaischsten Bedeutungen des Brettes anzunähern. Es gibt weitere Liubo-Varianten.


Abb. 10 a – Mysteries of Ancient China (London: British Museum Press, 1996) plate 76

Die Zeichnung 10 b wurde nach der Bildkomposition (Abb. 10 a) angefertigt. Die Schlangen galten den Wegen der Sonne. Damit wurden die Schlangen zu Symbolen der Zeit.


Abb. 10 b – Wenwu 文物, page 26 fig. 33

Aus den Schlangen wurden Untiere und Drachen als aus den Jahren Großjahre wurden. – Dieser Schlangenplan hat sich aus einem 3 x 3-Felder-Plan entwickelt, mit etwas Mühe kann man die 3 x 3-Felder noch ganz gut entdecken. Wir haben ein entwickeltes Feldermuster vor Augen, es beschäftigt sich mit ungleichgroßen Mengen. Jedes Neuntel wurde wiederum unterteilt. Betrachten wir das untere rechte Eckfeld allein:

Im Grunde ist es wiederum ein 3 x 3-Felder-Plan. Die Einteilung ist aber eine andere. Das große linke Feld nimmt zwei Drittel ein. Die rechte „Spalte“, (das verbleibende Drittel), ist nochmals unterteilt, wiederum in zwei Drittel und ein Drittel, könnte man annehmen. Es ergeben sich die Größenverhältnisse 1 Neuntel, 2 Neuntel und 6 Neuntel. Man plagte sich mit Mengenverhältnissen, eine Bruchrechnung war im Entstehen. Die Dreiteilungen wurden im Umfeld der Großen Mondwende von 2 x 9,3 Jahren zwingend.
Das mittlere Neuntel steht aber viergeteilt:

Jedes Viertel kann wiederum in zwei Achtel auseinanderlaufen, die Bildersprache ist diesbezüglich deutlich. (Hier dürfte ein achtgeteiltes Jahr auf die Große Mondwende gestoßen sein.)
Und die angrenzenden Felder sehen so aus:

Im Grunde sagt das Bild, daß diese Mengenverhältnisse recht verwickelte Angelegenheiten sein können. Bis hinein ins Mittelalter redeten die Rechenmeister von „glücklichen“ und „unglücklichen“ Zahlen. Gemeint war das noch nicht im Sinne von geraden und ungeraden Zahlen; es war vielmehr so, daß die Zeitstrecken oftmals nicht so zueinander paßten, wie es die Rechenmeister, (die zunächst ja nur über begrenzte Teilungsmethoden verfügt haben können), gern gehabt hätten.
Ein verwandtes Brett sieht so aus:


Abb. 12 – Wenwu 文物 page 26 fig. 32

Man würde es nicht als ein Liubo-Spiel bezeichnen, aber die Liubo-typischen Eckfelder und die sogenannten „L“-Winkel sind enthalten. Es ist ebenfalls ein himmelskundlich ausgerichtetes Zählbrett. An der linken und rechten Seite können wir wahlweise sieben gleichgroße Abschnitte oder vier unterschiedlich große Abschnitte festmachen. In letzterem Fall sind die Felder ein Siebtel, zwei Siebtel und drei Siebtel groß.
An der oberen und unteren Brettseite kann man ebenfalls sieben gleichgroße Felder erkennen, aber wahlweise sind es auch nur fünf.
Und merkwürdig: Waagerecht und mittig sind nur sechs Abteile auszumachen!
Hier stehen verschiedenste Mengeneinheiten zur Disposition. In den schriftlosen Epochen hatten es die Denker besonders schwer, solche philosophischen Sachverhalte zu erarbeiten und zu tradieren. Diese Bildkompositionen entstammen solchen Epochen. (Wann immer diese Bretter gebaut wurden, sie enthielten erinnertes Wissen.) Zusammen mit den Mythen stehen uns genügend Anhaltspunkte zur Verfügung, um uns in diese Urzeit einzuarbeiten. Auch in Asien wurde die Große Mondwende mit der „9“ angesprochen, man redete von neunschwänzigen Füchsen. Ihre Schwänze besaßen sie aber nicht von Beginn an. Die wuchsen ihnen im Laufe der Zeit zu. Und ‚gewohnt‘ hätten diese Füchse 300 Meilen von einem Bezugspunkt entfernt. (Im Steinkreis stehen zwei Steine für die Sonnenwenden, aber die Peilsteine für die Große Mondwende stehen weiter außen.)
Wir verlassen damit zunächst das Liubo-Muster.
(C) 2024

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