Der Würfel

Zur Entstehungsgeschichte und Funktion des Würfels.

Wie ist der Würfel entstanden und welche Funktionen hatte er? Einige frühe Schachvarianten seien mit Würfeln betrieben worden, Spieleforscher reden vom Würfelschach. Auf dem Schachbrett zählte man mit dem Würfel eine Art „6-Tage-Woche“ an, das gab nach 64 Schachbrettfeldern 384 Tage – das lange Mondjahr (s. Schach). Zunächst zählen die Würfel (wie auch die Mancala-Mulden-Leisten) aber die rund sechs Vollmonde zwischen den Sonnenwenden hin und her.

Der Würfel muß zunächst als ein Raum- und Zeitkonzept verstanden werden. Im Grunde addiert der Würfel Quadrate. Nun war das Quadrat aber seinerseits ein Raum- und Zeitkonzept, (s. „Der erste Kubus“). Die Sonne zieht ihre Bögen mal höher und mal tiefer durch den Himmel. Das Quadrat meint den Himmelsbereich zwischen diesen Extremen und diesen Bereich (Himmelsbereich, Zeitraum) kann man nun in „Sonnenstufen“ unterteilen.

Abb. 1: Römischer Bronze-Würfel, Auktionsware.

Andererseits wurden mehrere dieser Halbjahre zu Jahren und zu sog. „Großjahren“ zusammengerechnet. In dieser Gemengenlage wurde der Würfel zu einem „Mehrseiten-Stein“. Man zählte Monate zu Halbjahren und Halbjahre zu Großjahren hoch. Der Würfel verband mal vier, mal fünf und mal sechs Halbjahre zu einer Betrachtungseinheit und immer gab es gute Gründe, genau solche Zeiteinheiten zu verfolgen. Man konnte mit dem Würfel am Ende Tage, Monde, Halbjahre und Jahre zählen, was man auch tat.

Der Würfel (der „Mehrseiten-Stein“) hatte Vorläufer und Nachfolger. Im Verlauf der Geschichte mußte der Mensch die Zeichensetzung erlernen. In dieser historischen Aufbaulinie werden grundlegende Teilungs- und Gliederungsideen zunnehmend durch entwickeltere Sichtweisen ergänzt. Irgendwo innerhalb dieser Aufbaulinie nimmt der Würfel seinen Platz als Unterrichtsmittel ein. Diesem Platz spüren wir hier nach.

Was könnte man wohl mit einem solchen Würfel (s. Abb. 1) auswürfeln? Er zeigt nur „Dreien“ vor. Es gibt ähnliche Würfel, die nur „Zweien“ tragen. Aber noch heute sind die Zweien und die Dreien auf den Würfeln so gesetzt, daß sie eine „Diagonale“ beschreiben. Und diese so gebildeten „Diagonalen“ fügen sich auf ähnlichen Würfeln zu einer „ewigen Winkelkette“, sobald man den Würfel seitlich weiterdreht. (Ich vermute, das dürfte hier auch der Fall sein.)
Somit begegnen uns im Würfel zwei der archaischsten Bildzeichen, die Diagonale und das Quadrat. Beide Zeichen haben wir bereits besprochen, (s. „Wellenlinie und Winkelkette“ und Der erste Kubus). Zur Erinnerung nur wenige Erklärungen:

1. Das Quadrat
Man stelle sich das Quadrat als einen Bilderrahmen vor und installiere einen solchen hin zur Mittagssonne. Es zieht dann die Flugbahn der Sonne in jedem Monat eine neue „Stufe“ in das Quadrat ein. Wer nämlich den Ist-Zustand der Sonne mit dem Soll-Zustand vergleichen und unterrichten wollte, der hatte Verwendung für ein solches Viereck. Anschaulich ist dieses Unterrichtskonzept in dieser griechischen Tonskulptur.

Abb. 2: Mykenische Terrakotta aus dem Grab 5, Ialysos, Rhodos, Griechenland. Ca. 1200 v. Chr., Britisches Museum. (Wikipedia).

Dargestellt ist keine Kutsche sondern unser „Ur-Quadrat“. Die beiden Pferderücken gelten jeweils der Bogenlinie der Sonne an den Sonnenwenden. Sie stellen das Sonnenminimum und das Sonnenmaximum dar. Mit ihren Köpfen geben die Pferde die „Fahrtrichtung der Sonne“ an, die Sonne reist westwärts. Und als Reiter ist die Sonne höchstselbst zu sehen, sie steigt und sinkt im Jahresverlauf, (sie rutscht auf ihrer Kutschbank hin und her). Die Farblinien gelten der Flugbahn der Sonne, sie zeigen die veränderliche Höhe der Sonnenbahn. Ich begreife dieses Konstrukt als den ursprünglichen, sprichwörtlichen „Großen Wagen“. – Wenn man die Kutschbank genauer betrachtet, sitzt diese Sonne auf einem Mittelding aus Trapez und Stufenpyramide.

Aber die Schrägen, die das Trapez bilden, das sind gewissermaßen die Diagonalen aus der Winkelkette. Die Halbjahre werden jetzt einzeln betrachtet und auch in Abschnitte (Stufen) unterteilt. Der alte Zählknochen hat sich aufgespalten und das Halbjahr der steigenden Sonne und das Halbjahr der sinkenden Sonne besitzen nun jeweils ihre eigene Zählleiste oder Zähltreppe.

2. Die Diagonale
Das ewige Steigen und Sinken der Mittagssonne im Verlauf der Jahre konnte die Wellenlinie anschaulich machen. (Als man die Sonnenwenden berechnen konnte, ist eine Winkelkette aus ihr geworden.) Bald zeigten diese Wellenlinien eine genau definierte Anzahl an Halbjahren vor. Die Große Mondwende ist 9,3 Jahre lang und es gibt ägyptische Schlangen, die diesem Zeitintervall gelten:

Bilddarstellung vom Sarg des Nespawershepi, Fitzwilliam Museum.

Unter der Barke schlängelt sich das Tier neun Sommersonnenwenden und neun Wintersonnenwenden entlang. Das Bild galt dem Mondpendel zu neun Jahren. Die Barke gibt die momentane Richtung des Mondes an und sie wird nach 9,3 Jahren gewendet, dann schwimmt der Aufgangspunkt des Mondes ebensolang seinem anderen Extrempunkt entgegen. (Die alten Unterrichtsbilder versuchen, mit den neuesten Erkenntnissen mitzuhalten, soweit das geht.) Vollendet wird das Zählintervall indem die Zeitenschlange „getötet“ wird, wie man auf dem Vasenbild sehen kann. Eine getötete Schlange ist eine erledigte Schlange. Soweit sich solche „himmlischen Unsterblichen“ erledigen. (Die Sammlungen des astronomischen Wissens als „Totenbücher“ zu bezeichnen, weil dort Zählanweisungen für Großjahre mitgeteilt wurden, bis hin zu dem Punkt, wo diese Zeiteinheiten sich erledigt hatten, ist nun so eine Sache. Verwechseln kann man Ursache und Wirkung wie auch Poesie und Prosa. Würden diejenigen, die immer auf den heiligen Text pochen, etwas von Sprachbildern verstehen, wäre gar kein Streit.)

Manche Schlangen tragen den Namen Apophis. Übersetzt heißt das „von nun an“. Das klingt nach einer Spezifizierung eines alteingesessenen Bildes. Es treten jetzt kürzere Schlangen auf. Ein kurzes und ein langes Mondjahr wurden beispielsweise zu einer Betrachtungseinheit verbunden, zum „Doppeljahr“. Das führt uns zu unserem Dreier-Würfel aus Abb. 1 zurück, der dürfte nämlich dem Doppeljahr gegolten haben. Die Diagonalen auf den Würfelseiten winden sich durch vier Halbjahresquadrate und beginnen dann wieder von neuem. Die Halbjahre wurden oft in Form von Strichen angereiht. Die Schlange konnte diese Halbjahre verbinden. Mit den Diagonalen ließen sich die Halbjahre der sinkenden oder steigenden Sonne unterscheiden. Und der nächste Schritt bestand nun darin, die Halbjahre zu nummerieren, die die zeitgeistliche Denkschule zu einer Zähleinheit aufbaute.

Mit dem römischen Dreier-Würfel (Abb. 1) können grundlegende Sachverhalte unterrichtet werden: Zunächst steht die Sonne hoch, mittig und tief im Himmel. Das zeigt die „Drei“ sehr schön. Tradieren läßt sich mit diesem Anschauungsmittel der Zeitraum zwischen den Sonnenwenden insgesamt, das Sonnenmaximum, das Sonnenminimum, die Tagundnachtgleichen, das Halbjahr der steigenden Sonne, das Halbjahr der sinkenden Sonne, sowie die Ewigkeit dieses Zeitverlaufes. (Der Bronzewürfel wurde in einer Auktion angeboten, der Verkäufer gab einen Zeitraum um 300 – 400 an.)

Die Zahl als Teiler und Multiplikator
Solche definierten „Großjahre“ wirkten auf die Gliederung des Halbjahreszeitraumes zurück. Oft genug sollte der Multiplikator auch der Teiler sein. Man redete dann von „Harmonisierung“ der Erkenntnisse und von der „Zahl allen Wissens“. Das „Quadrat“ zerfiel dann dementsprechend in drei, vier, fünf oder sechs Sonnenstufen, je nach Denkschule. Abzulesen geht das beispielsweise an der nachfolgenden Abbildung der ägyptischen Nut. Sie führt den gleichen Raum vor, den das Quadrat auch meinte. Mit Händen und Füßen steht sie nicht etwa auf der Erde, wie man immer liest, sondern sie steht („unten“) auf dem „Sonnenminimum“:

Nut, nach einem ägyptischen Papyrus; Encyclopaedia Britannica.

Ihr Rücken markiert das „Sonnenmaximum“. Der Halbjahreszeitraum war einst in vier Stufen zerfallen, wie dem Bild noch ganz gut anzusehen ist. Begonnen hatte diese Einteilerei mit einer Mittellinie, der „Anubislinie“. Sie verläuft im Bild von den Knien zu den Ellenbögen der ewigen Jungfrau. Beide Zeiträume wurden anschließend erneut halbiert. Inzwischen aber sind (im wesentlichen) fünf Stufen daraus geworden, denn die obere Sonnenstufe wurde nochmals „halbiert“. (Die Nut ist zu einer sehr komplexen Sammelformel geworden. Man hat das Bild lange beibehalten und ständig aufgebaut. Wir beleuchten zunächst die absoluten Grundlagen:) Es ist zu sehen, wie die glutrote Sonne im Osten aufgeht (geboren wird) und wie sie im Westen untergeht (verschluckt wird). – Entsprechend gelten die anderen fünf roten Sonnen, die auf dem Rücken der Nut eingetragen wurden, dem Fünfjahreskreis, denn der Rücken der Nut stellt ja den Sommerzenit dar und fünf Sommer geben dann doch wohl fünf Jahre. Sowohl im Schach als auch im Dame-Spiel rückt der Zählstein auf solchen archaischen Sonnenstufen vor und zurück. Auf der Gegenseite erhält er einen Aufstein oder wird gegen einen höherwertigeren Schach-Stein ausgetauscht. Auch die Schachhistoriker berichten von (fünf) Sondersteinen und damit zählte man einst die (fünf) Halbjahre an. Statt mit fünf verschiedenen Schachsteinen kann man auch mit einem Würfel diese Sonnenstufen mehrfach hoch und runter zählen.

Die Zahl allen Wissens
Bereits Zahlen konnten solche Sammelformeln des Wissens werden. Die 36 ist so ein Fall. Sie verbindet die Zählweise nach den sechs Monden im Halbjahr mit den Zählergebnissen, die um die Große Mondwende erzielt wurden.
Der Würfel hat sechs Seiten, er eignet sich, die mit der Sechs verbundenen Unterrichts- und Merkkonzepte anschaulich zu machen. Das hat der Würfel mit den 6-Mulden-Leisten (wie Mancala) gemeinsam. Natürlich zählte man damit die sechs Monde zwischen Sommer und Winter hin und her.

Mancala. Collezione Xavier Simon.

Im Vergleich dazu wird das äthiopische Gabatta bei der Auszählung der Großen Mondwende von 2 x 9 Jahren nützlich gewesen sein und bei den daraus abgeleiteten Zählkonzepten.

Gabatta; aus: J. T. Bent, The sacred city of the Ethiopians, 1896.

Die 36 kann nun also aus 4 x 9 = 36 Halbjahren und aus 6 x 6 = 36 Halbjahren zusammengesetzt werden. Ebenso kann der altägyptische Monat zu 36 Tagen gegliedert werden. Unser Würfeltürmchen zählt jetzt sechs Monde und sechs solche Halbjahre hoch:

Museum of Fine Arts, Boston.

Das Türmchen erinnert sehr an die Domino-Steine. Rechenpotenzen entstehen. Überall wurden die Zählpotenzen – den Sonnenstufen entsprechend – aufgestapelt. Zahlen wurden am Ende aufgerechnet, wie man die verflossene Zeit aufrechnete.
Zur Deklination der Großen Mondwende waren neun Zählsteine (Jahressteine) nötig. Wer damit das Jahr auszählte, erzeugte eine „Neuntagewoche“. Das Quartal faßt 10 solche Wochen, das Halbjahr 20 und das Jahr 40.
Mit dieser 10, 20, 40 und 80 läßt sich rechnen. Solche Zahlen stehen nun als Kürzel für definierte Zeiteinheiten. Und 40 x 9 Tage geben dieses berühmte „Grundjahr“ zu 360 Tagen.
Nicht nur im sumerischen Raum sieht man, wie die astronomischen Zählkonstanten zu Rechenpotenzen wurden. War man gezwungen, über die vorhandene Zahl 360 hinauszählen, multiplizierte man die Tage des Jahres mit den verfügbaren 10 „Monaten“ zur 3600. Aus ihr wurde dann – mit der Betrachtung des Doppeljahres – diese merkwürdige 7200. Demnach könnte die neuerliche Verdopplung auf die Zählkonstante 14400 dem Vierjahreskreis nachgebildet worden sein.
Auch wurden dort Rechenpotenzen erzeugt, nach der Formel 10 x 6 x 10 x 6. Gebildet wurde diese Formel einerseits aus den sechs Monden, die das Halbjahr repräsentierten. Andererseits vermute ich, daß man bereits zehn solche Halbjahre verfolgte, den Fünfjahreskreis. Allen Orten finden sich Spuren, daß die Himmelskundler Zwischenergebnisse erzeugen und diese sich zu Zählgewohnheiten verfestigen. Nichts liegt näher als das.
Nun war das altägyptische Jahr in zehn Teile zu 36 Tagen gegliedert. 2 x 9 geben 18 Jahre und 2 x 18 machen 36 Halbjahre. Irgendwann wurde die Große Mondwende auf 9,3 Jahre präzisiert. Man mußte das Jahresdrittel berechnen können. Die Dreiteilungen kamen in Mode und man versuchte sie auf andere definierte Zeitkreise anzuwenden, (was mal klappte und mal nicht). Die Reihe 3, 6 (36) und 9 eignet sich aber für Dreiteilungen.
Oft wurden definierte Zeiteinheiten (wie das Halbjahr) einfach fortgesetzt halbiert. Nun kam die Dreiteilung als neue Gliederungs- und Zähloption hinzu. Mit der 36 konnte man zunächst nach belieben beide Rechenoperationen durchführen, Halbierungen und Dreiteilungen. (Die Schachbretter versuchen dann die Zeiteinheiten fortgesetzt zu vierteilen, s. Schach.)

Drei Mondpendel zu 9,3 Jahren gaben rein rechnerisch 27,9 Jahre und die konnte man mit einem Jahreszehntel (also mit 36 Tagen) auf 28 Jahre vervollständigen.
Andererseits wurde das Mondpendel von 9,3 Jahre manchmal gedrittelt und aus 3 x 3 Jahren zusammengezählt, die nun auf 3 x 3,1 Jahre verbessert werden konnten, wozu auch die 36-Tage-Einheit nötig wird.
Einige dieser Zählweisen dürften dem altägyptischen Jahr diese Struktur zu 10 mal 36 Tagen verliehen haben.
Viele dieser Lektionen gehen in diese 36 ein, denn ein allgemeines Verständnis über das Teilungsverhalten der Zahlen konnte ja zunächst gar nicht vorhanden sein. Diese „Zufälligkeiten“ mußten diesen Denkern damals wie Bestätigungen ihrer Auffassungen vorgekommen sein. Daher waren solche Eselsbrücken anwendbar.

36 + 1 = 3
Damit nochmals zu diesem kleinen Würfeltürmchen. Es gab, wie bereits erwähnt, auch einen „Dreijahreskreis“. Der wurde auf 37 Monde taxiert.

Museum of Fine Arts, Boston.

Oben auf dem Würfelkästchen ist eine kleine Kugel befestigt und mit dieser Kugel dürfte dieser 37. Mond gemeint sein. Man zählte also mit den Würfeln 6 x 6 Monde ab und fügte den Schaltmond entsprechend an oder ein.
Demnach gilt das Würfeltürmchen einem Großjahr, dem Dreijahreskreis.
In dieser Eigenschaft ist das Artefakt kein Einzelfall. Es gibt offenbar einen Zusammenhang zwischen den Zählsystemen und den „Großjahresrechnungen“. Das ist gar nicht verwunderlich. Die Mengenlehre mußte mit den Aufgabenstellungen des Universums mithalten.

Hai
Die Entdeckung und die Auszählung der Große Mondwende ist historisch einigermaßen unterbelichtet. Für die Zeichenbildung, die Zeichensetzung und die Entwicklung der Mengenlehre muß sie ein enormer Katalysator gewesen sein. Die frühen Rechenmeister zählen überall auf der Welt plötzlich neun Striche an, das sind die neun Jahre der Großen Mondwende. Wer damit Tagesbündel abzählt, generiert eine Neun-Tage-Woche. Darüberhinaus wurden dann „Sonderzeichen“ erzeugt, erst zwei, dann vier.

Das zehnte Zählzeichen heißt in China hai und damit ist aber nicht einfach die Zehn gemeint, denn hai wird als „Doppelzahl“ beschrieben, sie kann einen „Kopf-Wert“ und einen „Körper-Wert“ besitzen, (Ifrah, Universalgeschichte der Zahlen). Sehr schön demonstriert unser kleines Würfelkästchen eben auch die Funktion der Doppelzahl hai. Das Verfahren ist vollkommen schlüssig. Ob man nun sechs oder neun Zählsteine besitzt oder mit den Fingern einer Hand zählt, wenn man gehalten ist, über diese Zahlen hinauszuzählen, wird man erneut einen solchen vorhandenen Zahlensatz hernehmen und abzählen.
Wer derart Tage, Monde und Halbjahre zu Bündeln aufzählt, dem wird einfallen, die Mengenlehre dann mit solchen Zählkonstanten zu betreiben, (bis die Rechenkunst ihrerseits ihr Recht verlangt).

Unsere Denkkategorien sind heute streng nach Fakultäten getrennt. Damals wurde auf eine archaische Weise ganzheitlich gedacht, die Magiere suchten nach einer „Gesamtursache aller Erscheinungen“ (Peter Hacks). Mit Zahlen wurden begriffene, astronomische Sachverhalte angesprochen. Die Erkenntnis spülte eine Zahl an („das Halbjahr ist 6 Monde lang“) und also konnte mit dieser Ziffer („6“) dieses plötzlich vorhandene Halbjahr angesprochen werden. Solche „Erkenntnis-Ziffern“ sammelten sich an. Es entstehen Denkschulen, „magische Quadrate“, Zähltafeln (Schachbretter). Die Schachbretter begreife ich als Vorläufer der Rechen- und Schriftsysteme. Noch die Zahlenalphabete lassen erkennen, daß die frühen Zeichensysteme „universelle“ Zeichensysteme waren. Zahlen mußte man lautsprachlich unterscheiden.

Wir hatten eine Frage aufgeworfen. Wollen solche Zählhilfsmittel auf Großjahresrechnungen hinaus? Es finden sich viele weitere Beispiele für diese Behauptung, denn sonst stünde diese Deutung nicht sehr fest.
Der Würfel mit den Dreiern (Abb. 1) würde auch in diese Reihe passen, er zählt vier Halbjahre an und dann wäre der Schaltmond des langen Mondjahres anzufügen. Generell zählen die Artefakte den Zeitverlauf bis zum Punkt der Schaltung, die Schaltung selber kann die Formel meistens nicht anzeigen. Es gibt weitere solche Beispiele.

Kyathos, Musées Royaux d’Art et d’Histoire, Bruxelles.

Dieses Vasenbild zeigt drei „himmlische Unsterbliche“ und ein Zählbrett. (Wenn wir das Bild mit dem griechischen Tonartefakt aus Abb. 3 vergleichen, dann sind aus den Pferden inzwischen Könige geworden und aus der Sonne eine Dama. Das Quadrat selber (der „Große Wagen“) ist noch nicht ganz zum Schachbrett geworden, aber es ist in „Sonnenstufen“ eingeteilt.) Das Motiv zielt m. E. auf den „Fünfjahreskreis“. Die Mittelreihe des Zählbretts führt sechs Felder vor und erinnert damit an ein Mancalaspiel. Jeder König startet wohl mit je fünf Steinen und mit jedem Stein zählt er die sechs Vollmonde des Halbjahres ab. Nach fünf solchen Halbjahren (nach dreißig Vollmonden also) muß dann aber noch ein einunddreißigster Mond hinzugeschaltet werden, denn das Universum läßt 6,2 Monde pro Halbjahr auftreten, (vgl. „Das Zelt der Dreißig“). Offenbar hat der erste König gerade die ersten sechs Monde abgezählt und überreicht diesen durchgezählten Stein der Dama. Somit sind nur neun Steine zu sehen und auch das Zählbrett ist somit um ein Zehntel „weggeschmolzen“, wie es aussieht. – Das Zählintervall will auf den Fünfjahreskreis zu 62 Monden hinaus. Die beiden Ajaxe sitzen als „zwei antropomorphe Extrafelder“ neben dem Zählbrett und ergänzen es, denn auf andere Weise kann man die beiden Schaltmonde in diese historisch entstandene Zählleiste nicht einbinden.

Der Damestein bekommt noch heute auf der Gegenseite eine „Erhöhung“, denn das Halbjahr war an dieser Stelle ausgezählt, nun begann ein neuer Zeitabschnitt. Ebenso ist es von den frühesten Schachvarianten überliefert. Da wird aus dem Bauern der Bischof. Frühe Schachvarianten operieren mit vier und später auch fünf Spielfiguren neben den Bauern und man kann überlegen, ob man nicht eine definierte Anzahl an Halbjahren oder Jahren abzählte.
Das kurze und das lange Mondjahr wurden aus vier Halbjahren zusammengesetzt. Und die Fünfjahreskreise wurden aus 2 x 5 Halbjahren hochgezählt. So wären auch gut die Würfel erklärlich, die auf nur vier oder fünf Seiten beschriftet sind.

Hier ein drittes Zählbrett, welches zu einem berühmten Zählkreis gehört. Überlebt hat es in Afrika, genannt wird es Chuba. Chuba ist heute ein dicker Mensch und die „Großjahre“ waren besonders dicke Zeiteinheiten. (Stochern im Namen Chuba: Schah wird im Sinne von groß verwendet und va heißt werden, entstehen, wachsen. Ba zielt auf das Wesen einer Sache. Chuba wäre dann das Heranwachsen einer großen Zeiteinheit.)

Chuba, 4 x 11 Mulden.

Hingegen war das kurze Mondjahr eher schlank, es zählte nur 354 Tage. Geschalten wurde es mit je 11 Tagen, dann erst hatte man 365 Tage zusammen. Das Chuba-Brett zeigt vier Reihen mit je 11 Mulden vor. Damit kann man vier kurze Mondjahre vervollständigen. Nach vier solchen Jahren wurde dann nämlich noch ein 12. Schalttag eingebunden, denn das Sonnenjahr ist ungefähr einen Vierteltag länger als 365 Tage lang sind. So hätte der Begriff „Der zwölfte Tag“ das Kürzel für dieses „Großjahr“ werden können, auf diesen zwölften Tag lief die ganze Zählerei hinaus. Das Chuba-Brett galt dem Vierjahreskreis. So begreife ich diese Zählwerkzeuge als Unterrichtsmittel. Einige von ihnen scheinen mit den Jahrhunderten zu universellen Lehrgebäuden aufgebaut worden zu sein, wenn sich das machen ließ. Man sieht spätestens an den Schachbrettern, da sind gewisse Verfahrensweisen und die wurden variiert und adaptiert und oft unterscheiden sie sich gar nicht so sehr voneinander, (s. Schach und Fidchell).

Der Würfel ist ein Mehrseiten-Stein, er hatte Vorläufer und Nachfahren. Die Spielmarke (der Chip/ Jeton) unterscheidet zwei Seiten. Auch die Liubo-Stäbchen haben zwei unterscheidbare Seiten, eine ist flach, die andere halbrund. Zwei Halbjahre machen ein Jahr. – Dann sind da die Stabwürfel und die Astragale mit vier Seiten. – Unser Würfel hat sechs Seiten. –
In China ist ein 18-seitiger Würfel gefunden worden. Er stammt aus der Han-Dynastie und wurde 1973 in der Provinz Hunan ausgegraben:

Diese „18“ verweist auf die Große Mondwende. Man ordnete den Jahren Kennzeichen zu. (Entsprechend deklinierte das „Neunerlei zu Weihnachten“ eben das neunjährige Mondpendel.)
Die 360 kann man in 18 x 20 Tage oder umgekehrt 20 x 18 Tage zerlegen. So finden sich auch geometrische Körper mit 20 Flächen. Ein etruskischer Dodekaeder aus Padua wird auf 600 v. C. datiert. Im Landesmuseum Württemberg wird ein ganz ähnliches Artefakt aufbewahrt:

Man sortiert diese 12-Flächer in aller Regel in das 2./3. Jahrhundert. Ein solches Anschauungsobjekt/ Schmuckstück verbindet im magischen (also vorwissenschaftlichen, ganzheitlichen) Sinne unterschiedliche Lehrinhalte. Zahlenmäßig vereint das Objekt scheinbar die 5, die 12 und die 20. (Da alle Löcher unterschiedliche Durchmesser haben, ist die Sonne gemeint, die, im Verlaufe des Jahres, mit jeweils unterschiedlichem Durchmesser um die Erde fliegt, s. Ouroboros. Wenn das Viereck jetzt aber zum Fünfeck geworden ist, dann spielt vielleicht der Fünfjahreskreis mit hinein. Zusammengezählt wurde er aus 2 x 5 Halbjahren und abgesehen vom oberen und unteren Fünfeck, sind hier 2 x 5 Fünfecke „im Kreis“ angeordnet. Die 20 angesetzten Kügelchen könnten nun bereits auf den Zwanzigjahreskreis verweisen, denn den Fünfjahreskreis und den Zehnjahreskreis konnte man nicht mit der Vierteltagsschaltung des Sonnenjahres verbinden…)

Das gebündelte Wissen mithilfe solcher Artefakte zu tradieren, ist irgendwann bestenfalls noch nachschleppende Folklore oder wehmütige Reminiszens. Man kann sich inzwischen verständlich machen. Zum Entstehungszeitpunkt (wann immer der gewesen sein mag) waren diese Formeln aber aller Ehren wert.
Verblüffend viele diese Artefakte stellen Großjahre aus, wir werden noch ein gutes Dutzend antreffen. Das Totschlag-Argument „Zufall“ wird nicht greifen. Und da war ja auch einfach die Notwendigkeit, solche Großjahre (Kalendermodelle, Schaltkreise) irgendwie betreiben und bewerben zu müssen.

Würfel aus Peru
Ausgehend von diesen ersten Großjahresrechnungen werfen wir noch einen Blick nach ganz hinten, hin zu den absoluten Anfängen. Aus der Sammlung Arjan Vereij stammen die folgenden drei Würfel.

Sie tragen früheste Bildzeichen der Himmelskundler. Die Oberseite des Würfels zeigt, wie aus dem „Ur-Quadrat“ das 2 x 2-Felder-Muster (das „Fensterkreuz“) wurde, ein Zeichen für das viergeteilte Jahr. Die „Schraffierungen“ gelten weiterhin den Fluglinien der Sonne. Im Jahresverlauf aber dreht sich der Würfel vierteljährlich weiter, sagt das Muster, das Quadrat wird zur „Mühle“.
Die beiden seitlichen Flächen des Würfels betreffen das achtgeteilte Jahr.

Collection Arjan Vereij

Oben auf dem linken Würfel scheint die Sonnenschlange mehen abgebildet zu sein, (vgl. Ouroboros). Auf dem rechten Würfel wird hingegen eine solche Schlange in genau vier Teile zerlegt, sie liegt hier nicht gerollt, sondern eher abgeknickt vor. Solche „Viertel“ sammeln sich gelegentlich an den vier Seitenkanten des Vierecks an. Das Viereck ist dann ein viergeteiltes Kerbholz und aber doch ein Kreislauf. Ebensogut lassen sich an den vier Quadratkanten vier ganze Zeitkreise aufrechnen…

All diese Bildzeichen dürften die Zeit und damit das Ur-Quadrat betreffen. Die Bilder auf diesen Würfeln sagen: Man kann diesem „Ur-Quadrat“ – diesem Zeitfenster – unterschiedliche Facetten abgewinnen. Urlektionen der Erkenntnis haben sich offenbar weltweit verbreitet. Wie denn auch nicht, das ist ja nur eine Frage der Zeit. (Beispielsweise berichten die mittelamerikanischen Legenden von einem Weißen, der Kalenderwissen mitbrachte und in hoher Verehrung stand.)
Was hat man mit solchen Würfeln angestellt? Wer 12 Zählzeichen hat, kann damit 12 Wahrheiten aufzählen. Wer 12 Wahrheiten besitzt, kann die auch als Aufzählungszeichen verwenden. In diesem Zusammenspiel wackelte sich die abstrahierte Zahl einerseits und die damit angesprochene Erkenntnis andererseits ja erst voneinander los.

Die Form des Würfels kommt in der Natur vor.
Müssen wir den Würfel als eine Ingenieursleistung ansehen oder war er ein Zufallsfund? Das Sulfit Pyrit entwickelt eindrucksvolle Kristalle in Würfelform. Solche Kristallisationen sind weit verbreitet. Einige Forscher vermuten, den frühen Denkern könnte die Form des Würfels zugefallen sein. Das wird wohl der Fall gewesen sein. Solche Objekte findet der Mensch, wenn er sie brauchen kann.

Pyritwürfel, Foto: Ra‘ike, wikipedia.

Sein Ebenmaß wird sehr bald als „wünschenswert“ empfunden. Denn auch die Gewalten der Natur sind nur in ausgewogener Form segensreich. Der Würfel stellt diesbezüglich die Verkörperung eines Ideals dar. Er wird als schön empfunden.

Poseidon würde für „den ersten Kubus“ stehen, sagt Plutarch. Ich vermute, er wollte sagen, der Poseidon steht für die Zeit, für das Viereck, für den „Himmelsraum zwischen der höchsten und der tiefsten Sonnenbahn“.
Dieser Zeit-Raum wurde mit dem Quadrat auf eine Formel gebracht.
Mit dem Würfel wurde er vervielfacht.
(C) 2022

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